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Softskills: Überzeugen mit Rhetorik und Storytelling

Autorenbild: Dovile KietzmannDovile Kietzmann

Wir alle stehen – ob bewusst oder unbewusst – immer wieder vor der Herausforderung, dass wir uns Gehör verschaffen müssen. Im Berufsalltag kann das in unterschiedlichsten Situationen notwendig sein: Ob wir Vorgesetzte überzeugen, Teammitglieder begeistern oder das Vertrauen von Kund*innen gewinnen wollen, wir möchten, dass unsere Stimme gehört wird. Wie können wir dazu Techniken der Rhetorik oder Storytelling-Methoden einsetzen?


Sowohl Rhetorik als auch Storytelling sind Hilfsmittel, um taktisch geschickt zu kommunizieren. Während Rhetorik schon seit der Antike die Kunst des Redens bezeichnet, ist Storytelling – das Talent, gute Geschichten zu erzählen – zwar genauso alt, aber im Business-Kontext momentan sehr en vogue. Beide Begriffe haben gemeinsam, dass eine sprechende Person ihre Zuhörer*innen für sich gewinnen möchte. Die Angesprochenen sollen der Argumentation bzw. der Geschichte folgen. Während Rhetorik uns eher an klassische Rede-Situationen (politische Ansprachen, Debattierwettbewerbe) und argumentative Logik denken lässt, verbinden wir mit Storytelling die emotionalisierende Vermittlung von Ereignissen rund um eine (Haupt-)Person oder Personengruppe.


Beide Softskills kann man erlernen*, um sie strategisch in der beruflichen Kommunikation einzusetzen. Doch wann und wie lassen sie sich gut einsetzen? Welche Rolle spielen dabei die Zuhörer*innen? Und gehört es auch zur Rhetorik oder Storytelling, sich auf das Gegenüber anzupassen? Darüber sprach ich mit meinen Co-Autorinnen Bernadette Beck, Bei Bei Yu und Judith Praßer.



Business-Blog Thema: Storytelling
Das MindPlayfield-Team: Dovile Kietzmann, Bernadette Beck, Judith Praßer, Bei Bei Yu.


Dovile: Bei Bei, was würdest du aus deiner Sicht als Coach sagen: Welche Rolle spielt Storytelling in der heutigen Gesellschaft und Arbeitswelt im Vergleich zu früheren Generationen?


Bei Bei: Aus meiner Sicht hängt der Stellenwert eines solchen Softskills wie Storytelling von der gesellschaftlichen Entwicklung ab. Beispielsweise sehe ich große Unterschiede zwischen den Generationen: Ich bin 1981 in China geboren. Der Fokus in der Schule und bei der Ausbildung lag darauf, aus uns folgsame Bürger*innen zu machen. Wir haben nicht gelernt, wie man seinen persönlichen Standpunkt vertritt, geschweige denn wie man andere von seinem Standpunkt überzeugt. Stattdessen ging es darum, sich Wissen anzueignen. Da gab es kein Storytelling; es ging nicht darum, Mitschüler*innen für etwas zu begeistern. Man musste angesammeltes Wissen wiedergeben können, und das trifft zum Teil auch auf das deutsche Schulsystem in der Ära zu.


Heute ist das anders: Es gibt unzählige Content-Creator auf TikTok, Instagram und sonstigen Social Media Plattformen. Es geht viel mehr um Storytelling und darum, Emotionen zu erzeugen und mehr Follower zu gewinnen. Aber es ist ein zweischneidiges Schwert. Viele Themen sind emotional sehr aufgeladen. Wir bewegen uns weg von Fakten. Alternative Fakten sind die dunkle Seite dieser Entwicklung. Die Welt hat sich gewandelt und in den zukünftigen Jahren wird es wieder anders aussehen.

Aus meiner Sicht wurden in der Vergangenheit im Bildungssystem eher gehorsame Bürger ausgebildet und keine Führungskräfte. Und deshalb sehen wir heute im beruflichen Kontext, dass die meisten in der Kunst der Rhetorik oder Storytelling nicht gut aufgestellt sind.

Dovile: Heute ist das Bildungswesen schon anders als früher: Meine Neffen fahren beispielsweise für Rhetorikwettbewerbe mit der Schule ins Ausland und diskutieren auf Englisch über Kunst und Politik. Aber natürlich hat nicht jede(r) während seiner Ausbildung die Möglichkeit.


Bei Bei: Es können aber auch kleinere Dinge und noch frühere Erfahrungen helfen. Als ich neulich einem befreundeten Coach erzählte, dass meine 4-jährige Tochter in der Kita eine Aufführung hatte, war er begeistert. Er sagte mir, wie wichtig es sei, Kinder so früh wie möglich auf die Bühne zu bringen und ihnen zu ermöglichen, dass sie lernen, sich zu präsentieren und dass sie was zu sagen haben. Diese Erfahrungen helfen später im Job bei Präsentationen, Verhandlungen und in der Kommunikation als Führungskraft.


Dovile: Was bedeutet Rhetorik oder taktische Kommunikation für dich, Bernadette?


Bernadette: Ich bin da skeptisch. Rhetorik ist nicht nur Rhetorik. Jedes Wort entsteht in unserem Kopf. Jeder Gedanke folgt einer Intention. Oft sind diese Intentionen unklar oder nicht synchron mit dem gewünschten Ergebnis. Ich beobachte Menschen, die viel und schön reden, obwohl sie gar nichts zu sagen haben. Die Gründe dafür sind vielfältig, aber am Ende zielt es nicht auf den Erfolg des Teams.


Judith: Aber das ist dann keine gute Rhetorik im Sinne von wirksamer Kommunikation. Gute Kommunikation richtet sich am Inhalt aus und wird nicht zum Selbstzweck betrieben.


Bernadette: Ich gebe dir recht: Es ist keine gute oder besser keine zielgerichtete Kommunikation. Als Führungskraft habe ich die Erfahrung gemacht, dass man manchmal keine Antworten hat, aber dennoch das Team motivieren und zusammenhalten möchte. In der Vergangenheit habe ich versucht, gute Geschichten zu erzählen und dafür meine Rhetorikfähigkeiten genutzt. Das hat mich oft mit einem unguten Gefühl zurückgelassen. Heute bin ich authentischer und transparenter. Es ist wichtig, die Zuversicht hinter dem Unklaren nicht zu verlieren. Das ist für mich und das Team der bessere Weg. Wir sind alle mündige Menschen und wir sollten mit Realitäten umgehen können. Das war für mich ein innerer Weg, der immer noch anhält und niemals enden wird.


Dovile: Aber dann machst du nicht mehr Führung, dann machst du Politik in dem Moment.


Bernadette: Manchmal musst du das auch machen. Also für mich ist der Idealfall der Rhetorik, dass eine Botschaft hinter meiner Story steht und ich sie empathisch rüberbringen kann. Gerade wenn du in eine schwierige Kommunikation gehst, musst du eine klare Linie in deiner Geschichte haben, d.h. ein klares Warum, eine Art Mission.

Und wenn du deine Mission so vermittelst, dass sie deiner inneren Haltung entspricht, dann ist das natürlich perfekt.

In diesem Sinne halte ich Rhetorik für ein wichtiges Werkzeug. Aber Kommunikation muss nicht immer rhetorisch zugespitzt sein, sondern kann auch einfach aus fachlichen Inhalten bestehen oder für zwischenmenschliche Vertrauensbildung genutzt werden.

Ich sehe das nüchtern und bleibe dabei: Egal wie eloquent man ist, wichtig ist welcher Intention es folgt. Jedes Gespräch hat eine Wirkung, am Ende zählt diese Intention. Wenn sie synchron mit dem ist, was das Team erreichen soll, dann hat jedes Wort die richtige Wirkung.


Dovile: Ich stimme dir vollkommen zu, dass das tatsächlich der Idealfall ist, dass Storytelling richtig eingesetzt wird, um Kommunikation in eine Richtung zu lenken. Das bedeutet, jemand präsentiert etwas und seine Botschaft bewirkt ein empathisches Verständnis. Wenn man dies bei Präsentationen beherrscht, hat man im Job schon viel erreicht – man denke nur an Strategiebesprechungen, Projekt-Freigaben und Ähnliches.


Bernadette: Ein gutes Storytelling kann in vielen Situationen helfen, auch in der Team-Kommunikation. Ich halte das für ein wichtiges Softskill, Geschichten so erzählen zu können, in der Art, dass sie einen selbst und andere begeistern. Und das ist zwar schon eine gute Basis, aber das alleine hilft noch nicht. Es ist ebenso wichtig (und wird oft unterschätzt), dass man Dinge so erzählen kann, dass sie für den anderen verständlich sind.


Judith: Das fällt vielen Leuten schwer, weil die Menschen oft davon ausgehen, dass jede/r andere auf dem gleichen Wissensstand ist. Das ist aber nicht immer so. Bernadette, du hast ja von Empathie als wichtigen Faktor für Storytelling gesprochen. Die Anpassung an den Wissenshorizont des anderen könnte man auch als „Empathie des Wissens“ bezeichnen. Ohne diese Wissensempathie kommen beim anderen nur Bruchstücke an. Und weil wir im Arbeitskontext oft eine besondere Komplexität haben, ist es ein gutes Prinzip, Dinge so einfach zu benennen, als würde man sie der eigenen Oma erklären.


Weil sich damit viele Leute schwertun, entstehen Missverständnisse. Und dann kommt noch hinzu, dass viele sich nicht trauen nachzufragen, wenn sie etwas nicht verstanden haben. Denn sie denken, es sei ein Gesichtsverlust für sie selber, sich als "unwissend" zu outen. Doch es liegt nicht an der eigenen Kompetenz, sondern an der des Gegenübers: Die Person war nicht in der Lage, etwas verständlich zu erklären.


Dovile: Ja, diese Wissensempathie spielt eine große Rolle. Ich muss verstehen, mit wem ich gerade spreche und meine Sprache darauf anpassen. Und das ist keine rein emotionale Empathie, sondern man muss das Wissen und den Informationsstand des anderen verstehen. Findet das nicht statt, kommunizieren wir in der eigenen Blase.

Oft muss man Menschen zunächst kennenlernen, um deren Wissenstand einschätzen zu können.

Bernadette: Wenn man das Wissen einer Person nicht gut einschätzen kann, kann man das auch direkt adressieren: „Ich weiß gar nicht, auf welchem Stand du gerade bist, was dieses Thema angeht.“ Und dann kannst du mit Fragen führen. Das ist eine andere Art, Storytelling zu gestalten, bei der der Sender sich bewusst auf die Augenhöhe des Gesprächspartners begibt. Man darf nicht davon ausgehen: „Ich bin die Sonne und um mich herum sind auch nur Sonnen. Und ich strahle jetzt mal so vor mich hin und die anderen auch.“


Dovile: Und wenn man auf den Horizont des anderen zugehen will, gibt es natürlich nicht nur den Wissensaspekt. Klar muss man natürlich erst einmal den „Fachidioten“ ablegen. Aber dann gibt es beispielsweise auch Generationsbarrieren oder lokale Unterschiede. Nehmen wir uns selbst als Beispiel: Eine Person lebt im Ruhrpott, die andere arbeitet in der Schweiz. Wenn ich nur im Rahmen meines Umfelds denke, meiner Stadt, meiner Straße, rede ich schnell am anderen vorbei: Denn bei mir scheint vielleicht die Sonne, während du im Regen stehst.


In internationalen Teams, sind natürlich noch viel mehr Unterschiede zu berücksichtigen. Da kannst du bestimmt viel dazu erzählen, Bernadette, weil du oft zu deinen Teams in Indien reist.


Bernadette: Ja, ich bin am Anfang bewusst in einen Dialog eingestiegen und haben uns über Rollenbilder und Stereotype ausgetauscht, um sie abzubauen. Es sollte niemand diskriminiert werden – auch nicht unbeabsichtigt. Für mich war es ein einprägsames Erlebnis. Die indischen Kolleg*innen haben z.T. die Notwendigkeit gar nicht so gesehen, was eine interessante Erfahrung für mich war.


Dovile: Da ich aus einem anderen Kulturkreis stamme – und ich schätze Bei Bei geht es ähnlich –, habe ich mir in Deutschland auch erst die verschiedenen Perspektiven in meinem Umfeld angeschaut, um Empathiebrücken zu bauen und die Sicht der anderen mit meinen eigenen Erfahrungen abzugleichen.

 

Bernadette: Es hängt natürlich auch vom eigenen Bewusstsein und der persönlichen Reife und dem Kontext dieser Person ab, wie gut man sich auf andere Menschen einlassen kann. Ich sehe das zum Beispiel an einer Bekannten. Sie lebt ihr ganzes Leben im Mikrokosmos Dorf irgendwo in Süddeutschland. Zwei- bis dreimal im Jahr kommt sie in die nächstgrößere Stadt. Das ist ihre Welt. Wenn ich in diese Welt komme – egal wo ich vorher gerade unterwegs war –, adaptiere ich mich in ihre Welt, sonst würde das nicht funktionieren. Grundsätzlich ist sie ein empathischer Mensch, aber weil sie nur diese Welt kennt, kann sie sich nicht in mein Leben zwischen Berlin, Indien und USA hineinversetzen. Berlin kann sie sich noch vorstellen, nachdem sie mich besucht hat. Aber letztlich habe ich eingesehen, dass manche Menschen nur in ihrem Kontext, in ihrer Blase bleiben. Und das ist, was du in der Kommunikation von ihnen erwartet kannst. Punkt. Bei diesen Menschen kann eine riesige Überforderung entstehen, weshalb ich mich dann auf den Horizont der Person zubewege – auch wenn als Thema dann vielleicht nur das Wetter bleibt.


Dovile: Das ist auch wichtig, damit sich letzten Endes keiner dumm fühlen muss. Wenn du – auch bei der Arbeit – nur Informationen bringst, die andere nicht erfassen können, fühlen sie sich schnell ausgeschlossen. Wer stattdessen eine gute Geschichte erzählt, z.B. eine Anekdote, dann kann sie auch aus deinem eigenen Erfahrungskontext kommen.

Denn wenn die Geschichte an sich funktioniert, weiß der andere zwar, dass ihr in verschiedenen Kontexten unterwegs seid, aber er sieht das dann eher als Ansporn zur Weiterentwicklung an, anstatt sich ausgeschlossen zu fühlen. Genau das ist die Kunst des Storytelling.

Bernadette: Für gutes Storytelling hilft es auch, die Geschichte etwas auszuschmücken. Wenn ich von Indien erzähle, kann ich sagen, dass es dort sehr heiß war, um einem jeweiligen Umfeld eine Vorstellung zu geben mit dem sie sich verbinden können.


Und genauso funktioniert es auch bei Berufsthemen. In unserer digitalisierten Arbeitswelt ist z.B. Security immer ein großes Thema. Jeder in der Tech-Community weiß, wie wichtig Security ist. Aber es ist sehr trocken im Detail. Und auch nach zig Schulungen kann sich außer den Experten wohl kaum jemand für das Thema begeistern. Trotzdem ist Security Teil von Workshops und Projekten und alle müssen laufend sensibilisiert werden.


Wenn die Schulungen gut gemacht sind, geht es vielen so wie meiner Bekannten, wenn ich von meinen Geschäftsreisen erzähle: Sie hört, dass ich in Indien war; sie kann sich den Alltag dort schwer vorstellen. Für sie heißt es einfach, dass ich zwei Wochen nicht da war. So können auch Security-Trainings funktionieren: Es muss nicht jeder alles zu Servern und Firewalls wissen, wenn am Ende der Geschichte hängenbleibt, keine verdächtigen E-Mails zu öffnen. Man kann nicht alle Details an alle kommunizieren. Aber Empathie hilft, zumindest die Kernbotschaft rüberzubringen.


Judith: Und dafür muss man eine Botschaft haben. Diese Klarheit im eigenen Kopf zu finden, ist für mich der Schlüssel zu gutem Storytelling.


Fazit


Der eigene rote Faden und das Verständnis für das Gegenüber – für seinen Wissenshorizont, aber auch für seinen regionalen, kulturellen oder sozialen Kontext.


Ich würde sagen, damit haben wir viele Aspekte gefunden, die uns bei einem gelungenen Einsatz von Rhetorik und Storytelling helfen.


Und nun fragen wir euch: Verwendet ihr Rhetorik oder Storytelling in im Arbeitsleben? Lasst Sie es uns auf LinkedIn wissen. Wir freuen uns auf weitere Diskussionen.


Dieses Interview ist Teil unserer Serie "Softskills im Berufsleben". Hier könnt ihr mehr über das Konzept und die Ideen, die sich dahinter verbergen, erfahren.


 

*Beispiel zu Storytelling: Gary Vaynerchuk: How to Tell a Story on Social Media, March 12 2019.

Beispiel zu Rhetorik: Carmine Gallo: The Art of Persuasion Hasn't Changed in 2,000 Years, Harvard Business Review, July 15 2019.


 

 

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