Ohne Zweifel: Das Thema Gen Z sorgt für viel Gesprächsstoff. Doch habt ihr euch schon einmal gefragt warum eigentlich? Warum beunruhigt gerade diese Generation die Menschen so sehr? Denn beispielsweise im Vergleich zu vorherigen Generationen oder Jugendbewegungen wie etwa Punks oder Hippies provoziert die Gen Z beispielsweise nicht durch ihr äußeres Erscheinungsbild. Und trotzdem haftet ihr ein negativer Ruf an. Doch ich möchte mir mein Bild jenseits von überhitzten Debatten bilden. Was könnte also besser geeignet sein, um die Facetten der aktuellen Generationenfrage zu beleuchtet, als ein Buch? Ganz analog. Ganz schlicht.
In dem Buch Gen Z. Für Entscheider:innen[1], das einige Vertreter*innen der Gen Z, Annahita Esmailzadeh et al., herausgegeben haben, lassen sie sich gar nicht erst auf eine Rechtfertigungshaltung ein. Stattdessen schreiben sie ganz vorurteilsfrei darüber, wie sie sich als Gen Z wahrnehmen, um das allgemeine Bild der Gen Z in den Medien zu korrigieren und vielleicht auch zu neutralisieren. Im Folgenden möchte ich gerne ein paar Worte darüber verlieren, welchen Beitrag zur Diskussion das Buch meiner Ansicht nach leistet.
Gen Z auf knapp 200 Seiten verpackt: Wie ist das Buch aufgebaut?
Das Buch haben die Herausgeber*innen so aufgebaut, dass sie selbst ein Vor- und ein Schlusswort formulieren und der Hauptteil des Buches aus vielen kleinen Artikeln und Beiträgen besteht. Diese stammen von verschiedene Personen mit unternehmerischem und wirtschaftlichem Hintergrund. Sie sind nicht ausschließlich Vertreter*innen der Gen Z, sondern auch gehören teils auch anderen Generationen an, aber haben im beruflichen Kontext mit Millennials zu tun.
Die Beiträge sind in vier Themenblöcke unterteilt.
Wie gewinne ich die Gen Z als Talente für mein Unternehmen? (Recruiting)
Welche Fähigkeiten zeichnen die Gen Z aus, und wie setze ich diese bestmöglich ein? (Führung)
Wie erreiche ich die Gen Z als Zielgruppe? (Marketing)
Wie sieht ein Umfeld aus, in dem die Gen Z ihr Potenzial unternehmerisch voll entfalten kann? (Entrepreneurship bzw. Intrapreneurship)
Die Mission steckt im Detail: Was ist die Absicht des Buchs?
Mehrfach wird von den Herausgeber*innen das Wort „entschlüsseln“ verwendet. Das heißt, ihr Ziel ist es, die Gen Z zu entschlüsseln, sprich: das Wesen der Generation verständlich zu machen. Und zwar denjenigen Menschen, die nicht dieser Generation angehören.
Was sich hier sehr gut beobachten lässt, ist die Bemühung der Autor*innen, ihre Thesen auch anhand von Zahlen zu untermauern. Sie gehen nicht nur auf persönliche Empfindungen ein, wie etwa: „Ich als Vertreter*in der Gen Z sehe mich als engagiert für Nachhaltigkeit.“ Diese These kommt zwar vor, aber es werden Umfragewerte und empirische Studien angeführt, die die Thesen mit Fakten bekräftigen.
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Die Inhalte zusammengefasst: Was sagt das Buch?
Die Themen, die immer wieder vorkommen und sich wie ein roter Faden durch die Artikel ziehen, sind tatsächlich genau die anzitierte Nachhaltigkeit und der Wunsch, Dinge mitzugestalten, auf Augenhöhe mit Entscheider*nnen zu sprechen, und die große Frage der Sinnhaftigkeit. Letztere wird immer wieder betont, denn der Gen Z sei es wichtig, so die These, dass sie in ihrer Arbeit auch einen bestimmten Sinn jenseits des reinen Geldverdienens sieht. Dieser Sinn kann sich je nach Person auf unterschiedliche Dinge beziehen (Nachhaltigkeit, persönliche Interessen, Arbeit mit Menschen). Wichtig ist, dass die eigene Tätigkeit das individuelle Sinn-Bedürfnis erfüllt.
Ein weiterer Aspekt, den junge Menschen im Job anstreben, ist Flexibilität. Sie betrifft die Arbeitszeiten, aber auch die Arbeitsorte. Homeoffice und Mobilework scheinen einen höheren Stellenwert bei den Millennials zu haben als bei anderen Generationen. Und als Medium in der Gen Z findet natürlich das Smartphone immer wieder Erwähnung, ebenso wie die sozialen Kanäle, die zur Kommunikation mit der Gen Z notwendig sind.
Der Mehrwert für das Publikum: Was nützt mir das Buch?
Natürlich philosophieren die Autor*innen nicht nur über die genaue Charakterisierung der Gen Z, sondern geben auch Tipps zum Umgang mit ihr. Eine sinnvolle Handlungsempfehlung, die ich für mich mitnehme, ist die Idee des Reverse Mentoring: Sie besagt, dass ein Mentoringprogramm nicht nur dazu dienen muss, jüngeren Menschen die Ratschläge der älteren zu geben. Stattdessen kann das Mentoring auch als gegenseitiges Selbstreflexionsprogramm funktionieren. Auch die Mentor*innen können etwas von den Mentees lernen und ihre Werte und eingeschliffene Handlungsweisen hinterfragen. Ein weiterer wegweisender Punkt ist der Vorschlag:
„Be the person that you needed when you were younger.“ [2]
Denn letzten Endes ist natürlich das Gemecker über jüngere Generationen so alt wie die Welt. Und selbstverständlich haben Menschen, die nach 1990 geboren sind, kein anderes Gen, das sie grundsätzlich zu anderen Menschen macht und natürlich auch nicht zu einem einzigen Typus vereinheitlicht. In gelegentlichen Passagen des Buchs findet sich die Mahnung, dass man die Gen Z selbstverständlich nicht über einen Kamm scheren sollte, sondern alle Menschen als Individuen zu betrachten sind. Ein wichtiger Appell.
Neue Denkanstöße: Was nehme ich aus dem Buch mit?
Wie kann man sich nun eine Generation vorstellen, ohne zu verallgemeinern? Man sollte sich Folgendes vor Augen halten: Die Tendenzen, durch die sich Generationen unterscheiden, entstehen durch die weltlichen Umstände, in die sie hineingeboren werden und mit denen sie umgehen müssen. Zum Beispiel kennen Millennials das Smartphone schon ihr Leben lang (mit allen Vor- und Nachteilen), während andere Generationen mit anderen Medien und Kommunikationsmitteln aufgewachsen sind.
Und ebenso hat sich der Arbeitsmarkt entwickelt. Der Gen Z wird häufig eine fehlende Arbeitsmoral vorgeworfen. Dagegen kontert der Soziologe Martin Schröder, dass es keine generationsbedingten Unterschiede in der Einstellung zur Arbeit gibt. Die Unterschiede werden durch den Zeitgeist und das Lebensalter gemacht.[2] Denn natürlich erlebten Vertreter*innen die Baby-Boomer-Generation eine ganz andere Situation, wenn sie sich auf Stellen bewarben, bei denen sie sich gegen zahlreiche Mitbewerber*innen durchsetzen mussten.
Hingegen erleben wir heute den Fachkräftemangel, der Kandidat*innen häufig ermöglicht, aus mehreren Optionen die beste auszuwählen. Und seien wir ehrlich: Wenn man die Wahl hat zwischen einen Angebot mit weniger Arbeit und mehr Gehalt und einem Angebot mit mehr Arbeit für weniger Gehalt, entscheidet sich wohl niemand für Letzteres. Sicherlich auch keine Baby-Boomer, wenn sie diese Möglichkeit gehabt hätten.
Die Autor*innen des Buchs: Wer kommt zu Wort?
Wie wenig die Vorurteile zur fehlenden Arbeitsmoral der Gen Z wirklich zutreffen, zeigt sich bereits durch die Autorschaft des Buchs. Denn hier kommen eine Vielzahl von Menschen zu Wort, die schon in ihren jungen Jahren beruflichen Erfolg erreicht haben. Natürlich muss man auch einräumen, dass eine Ratgeberlektüre die Geschichten des Scheiterns wohl eher ausklammert, um sich am Markt zu verkaufen.
Und diesen Punkt müssen wir uns auch generell bewusst machen, wenn wir uns die Debatten um die Gen Z vor Augen führen: Sehr häufig dreht sie sich um ein milieuspezifisches Bild von jungen Menschen, die gut ausgebildet sind und tendenziell zur privilegierten Schicht gehören. Der Begriff Gen Z löst wohl in den wenigsten Köpfen eine Assoziation mit Kindern von Geflüchteten oder jungen Niedriglöhner*innen aus. Diese Gruppen finden aber immerhin auch in mehreren Artikeln Beachtung.[3] Letztlich schildert dieses Buch doch eine gewisse Vielfalt von Karrierewegen, Lebensläufen und Wertvorstellungen junger Menschen und bietet somit eine differenzierte Sichtweise an, die man in medialen Debatten oft vermisst.
Das Fazit: Was ist meine Meinung zum Buch?
Mit dem Buch ist es endlich gelungen, das Thema Gen Z auf eine sachliche Ebene zu holen und sich nicht den typischerweise hitzigen Diskussionen zu fügen. Gerade weil das Buch sich nicht den gängigen Klischees hingibt, ist es zur Lektüre durchaus zu empfehlen. Zur Entschlüsselung der Gen Z, die sich die Autor*innen als Ziel gesetzt haben, würde mir noch eine deutlichere Tiefenstruktur fehlen, für die gerade das Medium Buch prädestiniert ist. Das Format der zwei- bis dreiseitigen Kurztexte verkörpert möglicherweise die Nähe zu Social-Media-Posts, wirkt aber mitunter unsystematisch. Daher ist die Entschlüsselung vielleicht etwas vielversprochen, denn hier werden keine soziologische Studien oder gesellschaftliche Megatrends tiefgreifend erläutert. Stattdessen richtet sich der sehr praxisnahe Fokus auf den Arbeitsmarkt und vorwiegend junge Akademiker*innen.
Die Kurztexte lassen sich sehr gut als kleine Beispielgeschichten lesen und sind in diesem Sinne sehr unterhaltsam gemacht. Daher ist das Buch gut lesbar. Die Leser*innen lernen die vielen Autor*innen besser kennen und öffnen ihren Blick für auch die Unternehmen, die erwähnt werden. Und daher fallen vielleicht kleine redaktionelle Schwächen nicht so sehr ins Gewicht.
Die Botschaft: Welchen Beitrag leistet das Buch zur Debatte?
Die wichtigste und gleichzeitig positive Botschaft dieses Buches sind für mich die Themen Sinnhaftigkeit, Werteorientierung und Nachhaltigkeit. Denn dies sind alles altruistische Motive, die offensichtlich die Generation der Millennials umtreiben. Von diesem Engagement kann die ganze Gesellschaft und hoffentlich auch nachfolgende Generationen profitieren. Daher sollten wir Acht geben, die Einstellung der Gen Z gerade nicht als egoistisch abzuwerten, da sie doch eigentlich gerade das Gegenteil bedeutet. Kann es sein, dass dieses (Vor-)Urteil auch daher kommt, dass die Gen Z der Gesellschaft den Spiegel vorhält und zeigt, wo wir uns verbessern müssen, weil bestimmte Stukturen nicht (mehr) wirtschaftlich, nicht nachhaltig und somit vielleicht auch nicht sinnhaft sind?
Ich plädiere dafür, in einen Dialog zu treten und sich die Frage zu stellen: Wie können wir jüngeren Menschen, beispielsweise auch in Unternehmen, im Berufsalltag Sinnhaftigkeit ermöglichen und damit gleichzeitig unsere ökonomischen, ökologischen und auch sozialen Strukturen zu verbessern? Dieser Dialog muss natürlich auch von allen Seiten gewünscht sein. Bei den Autor*innen dieses Buches scheint mir die Dialogbereitschaft sehr hoch und daher bin ich gespannt auf einen zukünftigen Austausch.
Lasst uns alle miteinander reden - jenseits von Vorurteilen gegenüber der Gen Z, aber ohne Vorurteile zu Babyboomer*innen, zur Generation Golf und Gen Y und zu allen Labeln, die uns sonst noch einfallen. Lasst uns einfach mal wieder als Menschen miteinander reden.
[1] Annahita Esmailzadeh, Yaël Meier, Stephanie Birkner, Julius de Gruyter, Jo Dietrich, Hauke Schwiezer: Genz Z. Für Entscheider:innen, Frankfurt/New York (2022).
[2] Gülsah Wilke: Junge Talente mit Migrationshintergrung sind ein wichtiger Erfolgsfaktor für Unternehmen, in ebd., S. 101-105., hier S. 105.
[3] SR.de: Generation Z ist gar nicht faul: Saarbrücker Soziologe widerlegt Klischee (Stand: 25.02.2024).
[4] Gülsah Wilke: Junge Talente mit Migrationshintergrung sind ein wichtiger Erfolgsfaktor für Unternehmen, in Annahita Esmailzadeh et al.: Genz Z. Für Entscheider:innen, Frankfurt/New York (2022), S. 101-105. Heiner Thorborg: Z steht für Zukunft und damit für Hoffnung, in ebd., S. 150-154.